Kirche und Glaube

Der deutsche evangelische Glaube und die kirchliche Gemeinschaft war neben Sprache und dörflicher Sitte die stärkste Bindung und Erinnerung an die alte Heimat. Diese bewahrten unsere Vorväter in der neuen fremden und andersgläubigen Umwelt strenger und beharrlicher, als dies ohne diese äußerlichen Widerstände vielleicht der Fall gewesen wäre. Sie haben all die verschiedenen geistigen Strömungen, die im 19. Jahrhundert auch die christliche Glaubenswelt des einzelnen beeinflusst und bedroht haben (Liberalismus, Marxismus, Sozialismus usw.) vielfach nicht einmal dem Namen nach kennen gelernt. Ihre einfache und nüchterne pietistische Frömmigkeit, die ihre Ahnen einst mit der Familienbibel und dem Gesangbuch aus Württemberg mitbrachten, war letzten Endes der feste Grund, auf dem sie alle Not und Anfechtung bestanden, Leid und Tod erduldeten, Sorge und Arbeit im Übermaß auf sich nahmen. Wie viele unserer alten Bauern und Bäuerinnen haben durch Generationen hindurch gläubigen Herzens erlebt und bezeugt, daß ein Leben köstlich gewesen ist, wenn es Mühe und Arbeit war!Ohne die rechte kirchliche Gemeinschaft und rechte Seelsorge wäre dies nicht möglich gewesen. Aber ähnlich dem äußeren Aufbau vollzog sich auch der innere Aufbau, das kirchliche Leben der Gemeinde, unter mancherlei Kämpfen und Nöten. Wie schon in anderem Zusammenhang dargelegt, stand der gesamte Lebensbereich unserer Ansiedler mehr als acht Jahrzehnte unter der Kontrolle der Militärbehörden, auch die Regelung der kirchlichen Angelegenheiten bis in die Glaubensfragen des einzelnen hinein. Offiziere wohnten den Kirchenversammlungen bei und beeinflussten oft ihre Beschlüsse. Regimentskommandeure genehmigten oder verboten den Kirchenbau oder die Pfarrwahl; Kirchenväter und Kirchenälteste wurden von der politischen Gemeinde vorgeschlagen und vom Regiment bestätigt.

Gleich bei der Ansiedlung hatte man anscheinend um die Errichtung eines Bethauses angesucht. Doch wurde dies in einem Erlass vom 11.4.1792 einfach abgelehnt: „für dermalen weder notwendig noch tunlich, außer diese Ansiedler wollten und könnten solches aus eigenen Mitteln bestreiten.“ Da dies nicht möglich war, kam „auf solche Art Neu-Pasoe als Filial zu Alt-Pasoe, wo zu der Zeit Adam von Jeszensky evangelischer Prediger war“. Dies erfahren wir aus einem Gesuch des Pfarrers von Jeszensky vom 14. 5.1792 an den Hofkriegsrat, in dem er um eine wirtschaftliche Aufbesserung bat, weil er, wie er darlegt, „seit dem Monat August verflossenen Jahres die aus dem Römischen Reich angekommene, nun zu Neu-Pasoe angesiedelte sehr arme Familien ohne alle Zubuße unentgeltlich in der Seelsorge versiehe“. Sein Gesuch wurde abgelehnt und ihm anempfohlen, „bessere Zeiten und Umstände abzuwarten…“. Dies tat er denn auch und wird dafür in der Neu-Pasuaer Kirchengeschichte immer einen Ehrenplatz einnehmen.

So wanderten denn anfangs unsere Schwaben jeden Sonntag getreu den 6 km langen Weg zum Gottesdienst nach Alt-Pasua. Ab und zu wurde er auch in der vom Staate erbauten Ortsschule gehalten, und später kam der Pfarrer von Alt-Pasua sogar alle 14 Tage nach Neu-Pasua und hielt den Gottesdienst ab. Taufen, Abendmahl und Trauungen fanden größtenteils! Alt-Pasua statt. 1795 durfte neben der Schule ein Glockenstuhl aufgestellt werden, für den die Gemeinde fünf Jahre später eine Glocke geschenkt bekam. Bereits im Jahre 1798 wurde um der Einheitlichkeit des Kirchengesangs willen, jedoch unter heftigem Widerspruch mehrerer Gemeindeglieder, das Preßburger Gesangbuch eingeführt. In der Chronik heißt es, daß durch diese Maßnahme tatsächlich „der Kirchengesang Einheit und Wohltönigkeit ungemein viel gewonnen“ hätte. Das kirchliche Leben scheint sich in der Gemeinde recht schön und harmonisch entwickelt zu haben. 1802 wurde ein eigenes Taufgeschirr und 1807 die Abendmahlsgeräte angeschafft. Zudem kam 1805 der Sohn des Pfarrers von Jeszensky nach beendeten Studien in die Heimat zurück und übernahm als Vikar die regelmäßige Betreuung Neu-Pasuas.

 

 

Kirchenbau

Abgesehen von unerfreulichen Streitereien (Separatistenbewegung) war von Anfang an in der ganzen Gemeinde ein Wunsch allen gemeinsam: so bald wie möglich eine eigene Kirche zu haben, Jahr um Jahr wurde dafür Geld gesammelt. Als man aber soweit war, daß man mit dem Bau hätte beginnen können, stellte die Behörde Hindernisse in den Weg, indem sie den Kauf der Mauersteine nicht genehmigte. Da brachte eine Inspektionsreise des Erzherzogs Ludwig, der als Generalgrenzdirektor im Jahre 1808 auch Neu-Pasua besuchte, überraschende Hilfe. Neu-Pasua brachte bei dem. Erzherzog persönlich seine Bitte vor um Zuteilung von 70000 Mauerziegeln, die von einer abgetragenen Kaserne in Neu-Banovci stammten. Darauf erhielt es diese Ziegel sogar kostenlos zugeteilt! Nebenbei gesagt war es ein gewisser Hauptmann Urm, der sich sonst als Verfolger der Separatisten besonders hervortat, der jetzt die Bitte der Neu-Pasuaer aufs Wärmste unterstützte. Im Frühjahr 1810 fand die feierliche Grundsteinlegung der Kirche in Gegenwart der Offiziere der Grenzkompanie statt. trotz ungünstiger politischer Umstände wurden die Bauarbeiten fleißig vorangetrieben. Man erinnerte sich, dass in diesen Jahren Europa und damit auch das österreichische Kaiserreich durch Napoleons Feldzüge erschüttert wurde. Beim Kirchenbau hatten sich, wie die Chronik berichtet, die “auf Neu-Pasowaner an Fleiß, Mut und Ausdauer übertroffen“. Die Mauerziegel wurden in zwei Tagen aus Banovci „auf einem grundlosen Wege“ herbeigeschafft, Kalk aus Lezimir in der Fruschka Gora und Sand vom jenseitigen Donauufer „mit Gefahr des Lebens“ geholt. Fast zwei Jahre lang mussten die arbeitenden Mauergesellen freies Quartierund täglich sieben Laibe Brot gegeben werden. Im Jahre 1812 legten aber Mauer und Zimmermann die Arbeit nieder, da ihnen angeblich die <Geldentwertung vom Vorjahre den Anschluß der Arbeiten unmöglich machte. Neue Opfer mussten gebracht werden! Im Juli 1812 war aber dann doch der Turm fertig und das Kreuz aufgestellt worden, und im Oktober desselben Jahres konnte die Kirche feierlich eingeweiht werden! Jeder Neu-Pasuaer gedenkt noch heute Jahr um Jahr dieses Kirchenfest am 25.Oktober 1812.

Zur kleinen schon vorhandenen Glocke kam 1814 die zweite, größere hinzu. Bemerkenswert ist auch, dass seit 1813neben dem Kirchenvater, der gleichzeitig Kirchendiener war, noch vier Kirchenräte dem Pfarrer zur Seite standen. Später wurde diese Köperschaft noch erweitert, und 1898 erhielt die Gemeinde ein Presbyterium mir Kircheninspektor und zwei Kirchenvätern, womit sie schließlich die rechtliche Grundlage hatte, wie sie später in den „Lokalstatuten der Evangelischen Kirchengemeinde Nova Pazova“ vom Jahre 1923 niedergelegt ist. Neu-Pasua sollte sich aber nicht lange ungetrübt seiner Kirche erfreuen. Bereits 1816 musste das Dach gründlich erneuert werden; der Turm wurde sogar wieder abgetragen, da er einzustürzen drohte. An seiner Stelle würde wieder ein Glockenstuhl errichtet, da ein neuer Turmbau damals nicht genehmigt wurde. Erst 1845 erhielt die Kirche wieder einen Turm. Am 31. Oktober 1817 erlebte die Gemeinde Neu-Pasua einen besonderen Höhepunkt, als sich zur 300jährigen Feier des Reformationsfestes 500 Gäste aus Neu-Pasua und Neu-Banovci, das damals von Neu-Pasua seelsorgerlich betreut wurde, am Tisch des Herrn einfanden, welch reiche Geminschaft unter dem Wort des Herrn!

 

In den folgenden Jahren mussten immer wieder Ausbesserungsarbeiten an der Kirche vorgenommen werden. So bat 1829 die Gemeinde zwecks „Erbauung ihrer baufälligen Kirche die Hälfte ihres magazinierten Fruchtquantums, nämlich 711 Metzen Halbfrucht“ verkaufen zu dürfen, die sie im Laufe von drei Jahren wieder ersetzen wollten. Dies wurde genehmigt, da „bei dieser Gemeinde kein Nahrungsmangel zu befürchten“ sei. Am Gründonnerstag 1834 löste sich während der Konformationsfeier plötzlich die Stukkaturdeckeund fiel in die überfüllte Kirche herab. Glücklicherweise gab es außer einem gehörigen Schreck nur einige Leichtverletze. Darauf wurde die Kirche eine Zeitlang geschlossen und der Gottesdienst in der Schule abgehalten. Eigentlich wäre ein Neubau notwendig gewesen, da die Kirche ohnehin schon klein war. Doch die bekannte Sparsamkeit unserer Schwaben ließ es zur Notreparatur kommen. Ein Neubau wurde auf später verschoben.

Beim Neuaufbau des Kirchturms wurde auch eine Sakristei an die Kirche angebaut. In den 40er Jahren des vergangenes Jahrhunderts erhielt die Kirche Altar und Kanzel. Zu einer Orgel kam man auf ganz besondere Weise. Während des Krimkrieges hatte das Kaiserreich vorsichtshalber Truppen an der serbischen Grenze und auch in Neu-Pasua stationiert, die Schlaf-und Stallheld entrichten mussten. Pfarrer Weber setzte es durch, dass für dieses Geld eine Orgel gekauft wurde. Obwohl auch weiterhin immer wieder Reparaturen an der Kirche notwendig waren, blieb die alte Kirche bis in unsere Zeit hinein stehen. Bei unserem Abschied im Oktober 1944, am Tage der Flucht, sahen wir als letztes Wahrzeichen unserer Heimat ihren schlanken Barockturm in der Ferne entschwinden. Es war wirklich ein letztes Blick auf dieses unser Gotteshaus, an dem Generationen mit Liebe und in Ehrfurcht gehangen haben! Die neuen Machthaben Jugoslawiens haben unsere Kirche abgebrochen, und so ist sie heute nicht mehr da…

 

Hat Ihnen dieser Text gefallen? Lesen Sie doch weiter im Heimatbuch NeuPasua !